Carsten Westphal
DIE WÜSTE SCHÄRFT DIE SINNE...
“DIE WÜSTEN DER WELT SIND MEIN ATELIER„
Es sind die rauen und feinen Strukturen der ausgetrockneten, zerrissenen Erde, der zerborstenen Geröllfelder, der vom Wind geformten Sanddünen, die den Künstler Carsten Westphal in die Wüsten der Welt ziehen. Westphal reist in diese Landschaften, per Jeep, per Kamel und zu Fuß, um den idealen Ort zum Malen zu finden: Mitten in der Sahara, ob in Libyen, Ägypten, Mali, Tunesien oder Marokko, in der indischen Wüste Thar, auf dem Mosesberg in der Wüste Sinai, in den arabischen Wüste Syriens und Jordaniens oder auf den Wüsteninseln des Atlantiks Boavista und Sal, in ausgetrockneten Salzseen, in Geröllfeldern erloschener Vulkane und in versiegten, zerstaubten Flüssen. Die Materialien, die er dort vorfindet, wie Salz, Sand, Erde und Pigmentstaub mischt er mit Farbpigmenten und Bindemitteln und trägt sie mit Kelle und Pinsel auf die Leinwand auf. So erschafft er tellurische Landschaften, Reliefbilder, Spiegelbilder der Urkraft, die diese Landschaften formte. Auf diese Weise bilden sich auf der Leinwand Strukturen, die nur in der Wüste entstehen können.
Nach Paolo Bianchis Definition ist Carsten Westphal der authentisch reisende Künstler unserer Zeit, der zum Seismographen für kulturellen Wandel im kulturellen Selbstverständnis einer neuen Globalkultur wird. Er ist ein Suchender, ein Forschender. Er sucht in seinen Arbeiten das Verborgene, die Wahrheit hinter der Wahrheit aufzuspüren. Das inhärente Prinzip aller Dinge, das, was allem innewohnt, alles bewegt. Das Unsichtbare ohne Form, das sich in Mustern und Strukturen für eine kurze Zeitspanne zeigt, wie in den verwehten Sanddünen der Sahara.
Dabei ist er der Katalysator, durch den sich die elementaren Urkräfte in seinen Bildern manifestieren, wenn er im heißen Wüstensand über der Leinwand kniet, die Farben aufträgt, die Farbschichten in der Sonne glitzernd in der Struktur erstarren und der Wind feinen Sand auf die Leinwand bläst. Kunst ist Abenteuer sagt Carsten Westphal und man kann es sich bildlich vorstellen, wenn er schwer beladen mit Wasser, Leinwand und Farben durch die Wüste stapft, wenn er berichtet vom Malen in herdplattenheißen Geröllfeldern oder in gigantischen Sanddünen bei Temperaturen um die 50°C, überrascht von Sandstürmen, bei denen man nie weiß, ob sie Stunden oder Tage andauern.
Westphal selbst sagt: „Die Wüste ist bedrohlich und doch ist sie die Grundlage allen Seins. Sie führt mich zurück zu den elementaren Dingen des Lebens. Die Wüste schärft meine Sinne und macht mir gleichzeitig bewusst, wo die Grenzen des menschlichen Körpers liegen. Es gibt keine Landschaft auf unserer Erde, für die ich mehr Sehnsucht und Leidenschaft empfinde, die mich zugleich mehr fordert, als die Wüste. Es ist die Weite, die breite Stille, die Abwesenheit von Ablenkung, welche die perfekte Voraussetzung für die Konzentration auf das Wesentliche schafft.“…
Vor allem in der Wüste trifft man auf das fein aufeinander abgestimmte Gleichgewicht der Natur und es wird einem deutlich bewusst, dass unser Planet selbst wie ein Organismus funktioniert. Die Botschaft, die in Westphals Bildern steckt ist somit mehr, als uns die Schönheit unseres Planeten vor Augen zu halten. Westphals Bilder regen auch an, über unsere Rolle auf der Erde nachzudenken und über die Verantwortung, die wir als Gestalter der Welt in jeden ihrer Winkel tragen. Die Erhaltung unberührter Urlandschaften ist ein ebenso wichtiges Erbe an unsere Nachfahren, wie überlebensnotwendig für den Organismus Erde.
Die visuelle Metapher Westphals ist der Kreis. Er kehrt in vielen seiner Arbeiten wieder. Die Eingebung dazu kam ihm, als er in einen gewaltigen Sandsturm in der Sahara geriet. Den Kreis sieht er als Symbol für das Dynamische und endlos in Bewegung Befindliche, und gleichermaßen für das Nichts, das Ungreifbare, das den Ursprung und den Mittelpunkt der Welt bildet. Er symbolisiert das nicht in Erscheinung tretende Sein und steht gleichsam für den in der Materie verborgenen Funken göttlichen Feuers.
C. Cühl
C. Cühl
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